Galerie Tanja Wagner is pleased to present Yeni Aya Cevaben/Responding to the New Moon/Antworten auf den Neumond: Prologue with works by Hasan Aksaygin, Natalie Czech (in collaboration with Ashkan Sepahvand and Mara Genschel), Nilbar Güreş, Runo Lagomarsino, Johannes Paul Raether, Anca Munteanu Rimnic, Pilvi Takala, curated by Övül Durmusoglu.
These days almost feel like an eclipse that is all about perception and changing our mind to meet the moment. A sort of new moon that marks an open invitation to find new terrains beyond repetitive mind circles. The student uprisings in England for free education rights, the major oil leak in Mexican Gulf, the resistance that grew around Stuttgart 21, the insisting demand of people against dictatorships in North Africa and Middle East, the nuclear disaster trigerred by tsunami in Japan and the occupation movement that spread around from Wall Street not to forget the people voicing up their complaints against the system’s misgivings in Greece and Spain have all arrived in a raw, to call for a flexible attitude reacting to the unexpected, emphasizing how creative the unexpected may be.
Narrowing and sharpening our focus, the creativity of the unexpected can be connected to many exciting current artistic practices that respond to the new moon. Sources and methods vary but what stays in the center is the open ended relationship these artists develop with material, space and performance, never losing touch with emotions, sensations and personal experiences. Through suggesting or realizing radical performative methodologies of material and process, they propose different parallel narratives of now and then that come with freestyle juggling that allows for innovation, leaps of logic, learning from others and adapting to new information. They point into unknown fields of imagination and allow free movement among the variations of our time-space, our present.
In her timeless classic On Violence, Hannah Arendt starts her analysis with the uncontrollable nature of the event. She argues that the present can never be guessed by skillful political foreseers who, in the name of protecting integrity, try to frame it with doctrines shaped by the past. There is always something unforeseeable, unexpected in the nature of the event that challenges our pre-planned ways of thinking and makes any reading fixated by the past invalid. Arendt phrases this phenomenon as the creativity of the unexpected. In an artistic context, the creativity of the unexpected is one of the driving forces for the fluidity of contemporary art discourse searching for what is contemporary: A fluidity shaped by what happens at the moment, constructing unexpected juxtapositions and correlations of issues, materials and sensations.
Responding to the New Moon is the first step of a series of projects that will process a triggering concept question ‘new materiality’ to research current artistic approaches towards formulating their new vocabularies in experience. It will mark the gallery initially as an exhibition space, a research field and will extend it via a supporting program in different locations.
Galerie Tanja Wagner zeigt Yeni Aya Cevaben/Responding to the New Moon/Antworten auf den Neumond: Prologue mit Arbeiten von Hasan Aksaygin, Natalie Czech (in Zusammenarbeit mit Ashkan Sepahvand und Mara Genschel), Nilbar Güreş, Runo Lagomarsino, Johannes Paul Raether, Anca Munteanu Rimnic, Pilvi Takala, kuratiert von Övül Durmusoglu.
Die Stimmung dieser Tage gleicht der einer bevorstehenden Mondfinsternis, bezogen vor allem auf die momentane Wahrnehmung und den aktuellen Gesinnungswandel. Eine Art Neumond, der eine offene Einladung ausspricht Neuland zu finden und eingeschliffene Gedankenbahnen zu verlassen. Die Studentenrevolten für Recht auf freie Bildung in England, der wachsende Widerstand um Stuttgart 21, die beharrlichen Forderungen, die die Menschen gegenüber den Diktaturen in Nordafrika und im Nahen Osten stellen, die tsunamibedingte Atomkatastrophe in Japan sowie die jüngste Bewegung zur Besetzung der Wall Street, die sich international ausbreitet, fordern eine bedingungslos flexible Haltung in Reaktion auf das Unberechenbare ein und machen deutlich wie kreativ das Unberechenbare sein kann.
Ein genauerer Blick lässt erkennen, dass die Kreativität des Unberechenbaren in Verbindung mit vielen spannenden zeitgenössischen Arbeitsweisen steht, die Antworten auf den Neumond geben. Quellen und Methoden mögen sich unterscheiden, doch den gemeinsamen Schwerpunkt bildet stets der offene Bezug der Künstler zu Material, Raum und Performance ohne die Verbindung zu Emotionen, Sinneseindrücken und persönlichen Erfahrungen zu verlieren. Indem sie radikale performative Methoden über Material und Prozesse anregen oder umsetzen, bieten sie verschiedene parallele Erzählweisen vom Jetzt und Damals an und jonglieren mit Innovation, logischen Sprüngen, dem Lernen von Anderen und dem Adaptieren neuer Informationen. Diese Künstler zeigen noch unbekannte Möglichkeiten der Vorstellungskraft auf und erlauben freie Bewegung innerhalb der Abweichungen unserer Raumzeit, unserer Gegenwart.
In ihrem zeitlosen Klassiker Macht und Gewalt beginnt Hannah Arendt ihre Analyse mit der Unkontrollierbarkeit eines Ereignisses. Sie weist darauf hin, dass eine Prognose von Politexperten niemals gelingen kann, da diese – um den Schutz der Integrität bemüht – den Versuch im Rahmen einer Doktrin wagen, die der Vergangenheit entstammt. Es gibt immer einen unvorhersehbaren, unberechenbaren Aspekt im Ereignis, der unsere im Voraus geplante Denkweise durchkreuzen kann und jede durch die Vergangenheit geprägte Lesart hinfällig macht. Arendt formuliert dieses Phänomen als Kreativität des Unberechenbaren. Im künstlerischen Kontext ist die Kreativität des Unberechenbaren eine der treibenden Kräfte in der zeitgenössischen Kunstdebatte darüber, was das Zeitgenössische ist: Ein Fluss, der vom Geschehen des Augenblicks geprägt wird, indem unerwartete Gegenüberstellungen und Korrelationen von Themen, Materialien und Sinneseindrücken geschaffen werden.
Antworten auf den Neumond ist der erste Teil einer Reihe von Projekten, die sich der zündenden Konzeptfrage nach ‚neuer Materialität’ stellen werden, um aktuelle künstlerische Ansätze auf die Erprobung neuer Ausdrucksformen hin zu ergründen. Dabei wird die Galerie zunächst als Ausstellungsort und Forschungsfeld genutzt, die durch ein Rahmenprogramm auf verschiedene Standorte erweitert werden.